Angeregte Diskussion nach Integrationsvortrag im Rathaus

„Integration ist keine Einbahnstraße, sondern eine Kombination aus staatlichen Möglichkeiten und eigenem Engagement.“

Flüchtlingshilfe und IntegrationTeilhabeRV Münsterland

„Integration ist keine Einbahnstraße, sondern eine Kombination aus staat­lichen Möglichkeiten und eigenem Engagement.“ Dieser Satz zog sich wie ein roter Faden durch den Vortrag der Deutsch-Türkin Tülay Özyurt, die gestern Abend im Stadtweinhaus von ihrem Leben in Deutschland und den Anstrengungen und Hoffnungen der Migrations- und Integrationsgeschichte ihrer Familie erzählte.

Die Veranstaltung fand statt im Rahmen von Vielfalt zeigen – aktiv Teilhaben Münster, einem Kooperationsprojekt von AFAQ e.V. und dem Arbeiter-Samariter-Bund Regionalverband Münsterland.

Rund 50 Interessenten hatten sich im Hauptausschusssaal des Rathauses eingefunden und wurden von Maria Salinas (Integrationsrat Münster), Dr. Georgios Tsakalides (AFAQ e.V.) und Rokshana Khorosch (ASB) begrüßt. Sie alle betonten die Wichtigkeit eines Bestandteils des Projektes: Personen vorzustellen, die beispielhaft Selbstkompetenz und gelingende Integration verkörpern und so die Vorteile von Vielfalt und Teilhabe für die Bürger erlebbar machen.

Tülay Özyurt wurde 1977 als Tochter türkischer Gastarbeiter in Deutschland geboren. 1994 erwarb sie die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie begann ihren Vortrag mit dem Buchstabieren ihres Namens „Ö wie Ökonom, Z wie Zeppelin“ und so weiter bis „T wie Theodor“, eine Übung, die sie ihr Leben lang begleitete, wenn sie sich vorstellen musste. „Guten Tag, mein Name ist Laura Blume, was kann ich für Sie tun?“ war hingegen ihre Ansage, als sie bei einem Callcenter arbeitete. Das Unternehmen hatte ihr geraten, einen deutschen Aliasnamen zu wählen, um sich vor Verbalattacken zu schützen.

Viele Jahre lang hat Tülay Özyurt in schlecht bezahlten Jobs gearbeitet, ebenso wie vorher ihre Mutter, die als 16-Jährige mit ihren Eltern als Gastarbeiterkind nach Ahlen eingewandert war und gleich anfangen musste zu arbeiten. Die Erfahrung, als „ungelernte Kraft“ auch nach vielen Jahren Berufserfahrung deutlich schlechter bezahlt zu werden als die Kolleginnen mit Zertifikaten, motivierte Tülay Özyurt schließlich, einen IHK-Abschluss als Kauffrau im Gesundheitswesen zu machen. Heute arbeitet sie seit einigen Jahren im Beratungs- und BildungsCentrum der Diakonie, wo sie mit viel Empathie und Fingerspitzengefühl Ratsuchende empfängt. Hier wurden ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Talente gesehen und gefördert.

 

Ein wohlwollendes und chancengebendes Umfeld kann generell sehr wichtig sein für die berufliche Integration. Dies ist, wie in der anschließenden Diskussion deutlich wurde, auch ein wichtiger Faktor zur Behebung des Fachkräftemangels. Es müssen nicht erst Minister nach Brasilien reisen, um Fachkräfte anzuwerben – hier bei uns gibt es sehr viele Migrantinnen und Migranten, deren Talente zu entdecken und zu fördern sind, anstatt sie mit endlosen Vorschriften, Verfahren und Formularen zu entmutigen. Ein anwesender Vertreter der IHK betonte, dass viele Migranten und Flüchtlinge über Berufserfahrung verfügen, die sie gleich einsetzen könnten, auch wenn kein Abschluss nach deutschem Recht vorliegt.

 

Einige Aspekte wurden von Frau Özyurt noch genannt, die Integrationsprozesse erleichtern. 

Die räumliche Verteilung: In einer kleinen Kommune wie Everswinkel, wo sie lebt und für die örtliche CDU aktiv ist, wird durch den ständigen Kontakt mit deutschen Schulkameradinnen, Nachbarn, Eltern, Geschäften das Ankommen leichter fallen als in Ballungsgebieten, wo Migranten eher abgeschottet in Vierteln leben.

Sie empfiehlt allen Menschen mit Migrationsgeschichte, aktiv zu bleiben, selbstwirksam, offen und mutig. Und sie hofft auch bei den Deutschen auf Herzlichkeit und Fairness. „Der Schlüssel für den Erfolg der Minderheit ist das Wohlwollen der Mehrheit.“

 

Gegenseitiges Verständnis durch Austausch von Erfahrungen zu befördern und praktische Verbesserungsmöglichkeiten in den Blick zu bekommen, ist das Ziel des Projekts Vielfalt zeigen – aktiv Teilhaben Münster, das die Migrantenselbsthilfeorganisation AFAQ und der ASB in einer seit Jahren bewährten Kooperation auf Augenhöhe auf den Weg gebracht haben.

An diesem Abend wurde das Ziel erreicht.