„Lachen hilft meistens, denn schlimm ist es eh‘ schon genug“

Mit seiner Demensch-Reihe widmet sich einer der bekanntesten Cartoonisten Deutschlands dem eigentlich gar nicht so lustigen Thema Demenz

StadtteiltreffTuhuus in LangerfeldLeben im Alter

Peter Gaymanns Markenzeichen sind Hühner in allen Lebenslagen. Mit seiner Demensch-Reihe widmet sich einer der bekanntesten Cartoonisten Deutschlands aber auch einem ernsten Thema – und unterstützt damit gemeinsam mit dem ASB Bergisch Land das „Themenjahr Demenzfreundlichkeit“ in Wuppertal-Langerfeld.

Ein Interview.

 

Herr Gaymann, darf man über Demenz lachen?

Natürlich ist das eigentlich ein trauriges Thema. Am Anfang vor zehn Jahren war ich auch erst unsicher, ob das nicht auf Ablehnung stößt. Weil ich aber grundsätzlich für viele Themen offen bin und damals auch schon etwas zum sehr ernsten Thema „Kinderhospiz“ gemacht hatte, dachte ich mir, ich versuche es einfach mal. Als Cartoonist vertrete ich die Meinung, dass man auch den Schattenseiten des Lebens mit Humor durchaus etwas abgewinnen kann. Und wenn es jemandem Freude bereitet, dann umso besser. Als ich dann vor zehn Jahren zusammen mit dem Gerontologen Prof. Thomas Klie zum ersten Mal dann einen Demensch-Kalender vorgestellt hatte, gab es vom Start weg kein Halten mehr. Das ging hoch und runter durch die Presse und wir wurden sogar zu Frank Elstner ins Fernsehen eingeladen.

 

Die Art, wie Sie ihre Figuren in der Demensch-Reihe darstellen, ist sehr einfühlsam und mitfühlend. Sie geben die Protagonisten nie der Lächerlichkeit preis und zeigen sie als liebenswerte Individuen. Warum haben Sie gerade diese behutsame Annäherung an das Thema gewählt?

Mein Humor ist grundsätzlich nicht auf Angriff gebürstet. Einfach jemanden mit dem Holzhammer lächerlich zu machen, entspricht nicht meinem Naturell. Mir geht es mit meinen Zeichnungen darum, menschliche Situationen aufzuzeigen, die komische Seiten haben und über die im Idealfall sowohl Betroffene als auch Angehörige gemeinsam lachen können. Ich lasse meinen Figuren ihre Würde und das kommt bei meinem Publikum gut an, sonst hätte die Reihe nicht diesen Erfolg.

 

Wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert, als Sie sich damals an dieses schwierige Thema herangewagt haben?

Demenz ist ja erstmal nicht lustig, wenn man selber betroffen und im Endstadium ist. Aber es gehört zum Leben und Altwerden dazu, so wie man auch einen Rollator braucht, wenn man nicht mehr gut laufen kann. Dann heißt es ja auch nicht gleich: „Ab ins Heim und wegsperren!“

Mit meinen Bildern möchte ich Diskussionen anregen, wie man einen menschlichen Umgang mit Betroffenen findet. Und da hat sich sehr viel getan in den letzten zehn Jahren. Man ist viel offener dafür geworden – und dazu trägt auch der Humor bei.

 

Wie macht sich das konkret bemerkbar?

Es gibt viele Anfragen zu unseren Bildern für Demensch-Ausstellungen in ganz Deutschland und in meinem Webshop. Jedes Kalendermotiv kann man auch für Zuhause bei mir erwerben. Man merkt daran auch, dass das Thema immer mehr in die Öffentlichkeit gelangt und offener diskutiert wird. Ich hatte ursprünglich gar nicht die Absicht, das so groß werden zu lassen. Doch inzwischen hat sich das durch die große Nachfrage nach meinen Cartoons verselbstständigt.

 

Wie kommen Ihnen Ihre Ideen gerade zu diesem Thema?

Oft beginne ich erst mal mit der Zeichnung und habe dann noch gar nicht im Kopf, wohin die Reise geht. Zum Beispiel male ich einen Mann am Rollator und überlege mir dann erst im Anschluss, was könnte der jetzt sagen oder machen? Kommt mir eine passende Idee, mache ich dann eine Skizze nach der anderen, bis es für mich passt. Natürlich ist nicht jedes Thema humortauglich, wenn z.B. Bewohner im Seniorenheim fixiert werden müssen. Wenn ich so etwas aufgreife, denke ich mir, was soll daran noch komisch sein, wenn da jemand ans Bett gefesselt wird? Dann fällt es mir auch nicht schwer, einen Entwurf in den Papierkorb zu werfen.

 

Wie macht man es denn richtig?

Habe es ja selber gemerkt, wenn ich meine Schwiegermutter im Heim besucht habe mit ihren 93 Jahren. Das Unkontrollierte kommt ja bei der Demenz zum Vorschein. Das ist fast schon kindlich, wie die Leute sich nicht mehr im Griff haben und auf nichts mehr Rücksicht nehmen. Mich hat dann immer ein bisschen geärgert, wenn andere Besucher ihre Angehörigen angemotzt oder zurechtgewiesen haben, ob ihres vermeintlichen Fehlverhaltens, wenn Sie bspw. mal den Kaffee verschüttet haben. Da nützt doch kein Herumschreien, man muss das annehmen und damit leben. Derjenige versteht ja nichts mehr und fühlt sich unnötig schuldig. Man kann die Dinge auch anders angehen, indem man lächelt und sagt, „die Pfütze sieht ja aus wie der Starnberger See“. Und dann lacht man gemeinsam darüber, sodass niemand unangenehm berührt zurückbleibt. Aber das ist auch eine Charakterfrage, ob man diese Gelassenheit zulässt oder zum Lachen in den Keller geht. Aber klar, viele Leute sind damit überfordert. Aber Lachen hilft meistens, denn schlimm ist es eh' schon genug.

 

Wie sind Sie zu dieser gelassenen Haltung gelangt?

Bevor ich mit dem Zeichnen anfing, habe ich Sozialpädagogik studiert und daher noch eine Haltung in mir, die diese Gelassenheit begünstigt. Es gibt halt auch die Komiker, die von einer Wut und einer Verbissenheit angetrieben sind und die Welt verändern müssen. Aber ich sage mir immer, irgendwie muss man seine Figuren auch selbst noch gerne haben. Nur Wut als Antrieb für Kreativität wäre mir zu wenig.

 

Haben Sie eigentlich Angst, selbst einmal von Demenz betroffen zu werden?

Man kann es nicht von der Hand weisen, so eine latente Furcht besteht schon. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und ich frage mich ja auch, was wird in zehn oder 15 Jahren mit mir sein? Wenn ich etwas vergesse, unkonzentriert bin oder der Schlüssel mal wieder weg ist, dann frage ich mich schon manchmal: „Ist es jetzt soweit?“. Im Großen und Ganzen geht es mir prima, ich arbeite gut und funktioniere richtig. Aber wenn es mal so weit kommt, kriegt man es selbst ja gar nicht mehr mit und kann eh‘ nichts mehr daran ändern.

 

Was wünschen Sie sich für sich selbst, falls Sie dement werden?

Wenn es mich trifft, hoffe ich, dass ich trotzdem meinen Humor bewahren kann und es nicht allzu dramatisch sehe. Und das gleiche wünsche ich mir auch von meiner Umgebung und dass wir dann gemeinsam über meine Missgeschicke lachen können. Wichtig wäre mir, meine Selbstbestimmtheit so lange wie möglich zu behalten. Schlimm finde ich, wenn Menschen in Einrichtungen untergebracht sind und gar nicht mehr rauskommen, weder reden noch gehen oder aufs Klo können, sie völlig abgeschaltet dasitzen und ins Nichts starren. Da geht die Würde verloren und ich habe ich manchmal schon das Gefühl, diese Leute wollen doch eigentlich einfach loslassen und gehen. Aber man lässt es nicht zu. Medikamente und Astronautennahrung sollen dann das Unvermeidliche herauszuschieben – genau das Gegenteil von Selbstbestimmtheit. Ich bin jetzt auch niemand, der gleich sagt, „Hey, sofort die Geräte aus“, aber ich wäre froh, wenn mein Leiden nicht durch sämtliche verfügbaren Mittel ins Unendliche verlängert würde. Es ist die alte Frage: Wann darf jemand gehen?

 

Mehr Infos unter www.gaymann.de

 

Bildrechte: Peter Gaymann