Welche Ausgangssituation herrschte in Langerfeld vor, als das Tuhuus-Projekt 2019 an den Start gegangen ist?
Anke Kirchmann-Bestgen: Wuppertal-Langerfeld hat im Vergleich zu den übrigen Stadtteilen in Wuppertal einen hohen Anteil in der älteren und alten Bevölkerung – dazu noch eine besondere topographische Lage mit Höhen ohne Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Die Bausubstanz im Quartier ist in einigen Teilen geprägt von Fachwerk und Gründerzeit – sehr schön anzusehen, aber leider nicht barrierefrei. Beratungsangebote, z.B. im Bereich der Pflege oder des Sozialdienstes der Stadt sind für mobilitätseingeschränkte Menschen schwierig zu erreichen, da diesbezüglich die zentralen Stadtteile Barmen oder Elberfeld aufgesucht werden müssen.
Wo setzte das Tuhuus-Projekt an?
Die Prämisse meiner Kollegin Andrea Knoll und mir bestand darin, für unsere Oberthemen Barrierefreiheit und Demenzfreundlichkeit im Quartier zu sensibilisieren, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen. Das sind beides wesentliche Punkte, damit die Menschen mit einem guten Gefühl hier alt werden können. So haben wir zum Beispiel das Beratungsangebot „Kurze Wege“ im Quartiersbüro installiert. Meine Aufgabe war, den Leitsatz: „Langerfeld wird demenzfreundlich!“ umzusetzen.
Die Ausführung fußte dabei auf drei Säulen: Beratung, Information und Angebote für die Sinne und die Seele, also auch den kulturellen Aspekt mit ins Boot zu holen. So z.B. durch die große Peter Gaymann-Ausstellung, die sich durch das ganze Quartier gezogen hat oder die Fahneninstallation im letzten Herbst mit Werken von Brit vom Stein, ebenso das gemeinschaftliche Singen mit WDR-Moderator Marco Lombardo. Das alles stieß im Rahmen des „Themenjahres Demenzfreundlichkeit“ auf eine große Resonanz, auch über den Stadtteil hinaus. Nicht zu vergessen, unsere tolle Abschlussgala im Forum Langerfeld mit der Musical-Aufführung „Socken im Kühlschrank“.
Warum ist das Tuhuus eine Erfolgsgeschichte?
Wenn Corona etwas Gutes hatte, dann, dass das Interesse der älteren Menschen an digitalen Angeboten jetzt größer ist denn je. Und das können wir bedienen! Das sieht man schon daran, wie gut unsere Kursangebote wie der Internet-Treff oder die Handyberatung angenommen wurden, die übrigens noch bis Ende September hier im Tuhuus weiterlaufen. Aber auch der Bücherschrank, die Spaziergang-Paten, das Projekt „Auf Rädern zum Essen“ oder unser Quartiersbus sind Dinge, die von uns auf die Schiene gebracht wurden und jetzt auch ohne uns laufen, weil sie von der Bürgerschaft angenommen und weitergetragen werden.
Wie geht es nach Ende des Projektes vor Ort weiter?
Wir gehen jetzt nicht durch die Tür raus und alles bricht zusammen in Langerfeld. Wir haben nachhaltige Strukturen geschaffen und es sieht gut aus, dass diese sich auch weiterhin selbst tragen werden. So sind die vielen Einzelprojekte im Quartier angedockt und es hat sich ehrenamtliches Engagement entwickelt. Der Quartiersbus wird z.B. vom Bornscheuerhaus der Diakonischen Altenhilfe Wuppertal weitergeführt werden. Umso dankbarer sind wir dafür, dass unsere Träger immer wieder ihre Nähe zu den Themen, die Senioren bewegen, bewiesen haben. Und dahinter stehen überall Menschen, denen die Sache wirklich am Herzen liegt. Als z.B. Busfahrten von Langerfeld zum Impfzentrum erforderlich wurden und wir noch keinen Fahrer hatten, machte Anne Paweldyk den Posten zur Chefsache und stellte uns einen Mitarbeiter zur Verfügung. Meine Kollegin Andrea Knoll und ich konnten unter der Leitung unserer drei „Trägermütter“ Anne Paweldyk, Christine Vieweg und Dr. Heike Ernsting viele Ideen aus der Bürgerbeteiligung umsetzen. Darum bin ich guter Dinge, dass wir vieles angeschoben haben, die Lebensbedingungen von Seniorinnen und Senioren in Langerfeld ein kleines bisschen zu verbessern.